Werkbesprechungen |
Großangelegte Fantasie über eine Sequenz des 12. Jhdt. Die Orgel wird in diesem aus dem Kloster Engelberg (Schweiz) stammenden, vielleicht ursprünglich in St. Blasien geschriebenen Hymnus des 12. Jh. weitgehend „musikimmanent“, d. h. ohne liturgisch-theologischen Bezug, als das ideale Instrument für „moderne Künstler“ (modernorum artificum) gepriesen. Erst in den letzten Versen fasst der anonyme Textdichter geistliche Aspekte in den Blick und beteuert (mit großer rhetorischer Klangfülle, aber in grammatikalisch nicht immer lupenreinem Latein), dass mit diesem Orgelklang Gott gelobt werden solle. Ein machtvolles Präludium von über 60 Takten steht zu Beginn des gut zwanzigminütigen Werks; Kodály macht Gebrauch von der dem Hymnus unterlegten mittelalterlichen Melodie, die er aber modifiziert, so gleich zu Beginn des Choreinsatzes, wo er in der überlieferten Tonfolge F-E-D-C | F-G-A-F |F-E-D-C | D-F-F (abgedruckt bei P. Williams 1993 S.221) die zwei ersten Noten der dritten Vierergruppe, die den Beginn der ersten Hälfte wörtlich zitiert, um einen Ganzton nach oben verschiebt, so dass aus F-E-D-C die harmonisch interessantere Folge G-F-D-C wird. Kodály erwog zunächst für dieses Werk eine Reihe von Titeln wie Ad juvenes musicos – An die jungen Musiker bzw.Adhortatio musicorum – Ermahnung der Musiker, die auf dieses pädagogische Element hinweisen sollten, verwarf diese jedoch. Kodály spürt dem Text mittels Harmonik und Satztechnik zum Teil Wort für Wort nach; dies fällt besonders in dem Abschnitt „Gravis chorus succinat ... delectabili cantabili“ auf, dessen Vertonung geradezu als Übersetzung des lateinischen Textes in die Sprache der Musik verstanden werden kann. Weite Passagen des Chorsatzes sind polyphon gehalten; die Orgel liefert oft harmonisch unerwartete „Kommentare“ dazu. Der Klang wirkt auf weite Strecken altertümlich und modern zugleich. Bald bewegen sich die Melodien in durchsichtig diatonischem Satz, bald werden sie chromatisch geschärft; Mixtur klänge – ein typischer Orgeleffekt – spielen auch im Vokalsatz eine wichtige Rolle im Abschnitt „Musice, milites ... neumis placitis“ setzt Kodály entfernte Tonarten unvermittelt nebeneinander; Das Werk endet mit einer kurzen Fuge, deren Themeneinsätze nicht im Quint- und Oktavabstand, sondern ungewöhnlicherweise im Zirkel einer kleinen Sext (bzw. übermäßigen Quint) erfolgen. Werkbesprechung (download PDF)
Quelle: Werner Schubert (Urheber und Verfasser)
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