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Werkbesprechungen

 

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

VESPERAE SOLENNES DE CONFESSORE in C-Dur, KV 339

Mozart schrieb diese Vesper während seiner Dienstzeit als Hofkomponist 1780 für den Salzburger Erzbischof Hieronymus von Colloredo. Neben den fast zwanzig Messen, die Mozart in Salzburg für den Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen komponiert hat, gehören die drei Vespern KV 194, KV 321 und KV 339, die für Abendgottesdienste am Vorabend besonderer Feiertage entstanden, zu den „großen“ kirchenmusikalischen Hauptwerken des Komponisten. Die Vesper ist das Abendgebet der Kirche, gehört zu den Tagzeitenliturgien und reiht nach katholischer Tradition fünf Psalmen aus dem alten Testament aneinander, die heute außer Vesper und Laudes (Morgengebet) fast ausschließlich in Klöstern gebetet werden.
Die Vertonung der beiden Vespern Vesperae de Dominica KV 321 und Vesperae solennes de Confessore KV 339 decken  die beiden Grundtypen der Vesperkomposition ab.
Die Vesperae solennes de Confessore entstanden für einen feierlichen Vespergottesdienst im Salzburger Dom zum Fest eines Bekenners oder Heiligen und zeigen Mozarts Meisterschaft in der Behandlung der chorischen Stimmen und solistischen Gesangslinien. In der Vesper gelang ihm in einzigartiger Weise die Verbindung kontrapunktischer Tradition im Geiste Händels mit dem melodischen Charme der Wiener Klassik. Die Bezeichnung "solennes" steht für feierlich und deutet auf eine Orchesterbesetzung, hier: 2 Violinen, Generalbass (Violoncello, Kontrabass, ggf. Fagott, Orgel), 2 Trompeten und Pauke, möglich wären auch noch 3 Posaunen. Dazu kommen vier Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass) und ein vierstimmiger Chor.

Die Tonartenfolge der sechs Sätze (C-Es-G-d-F-C) erweist das Gesamtwerk als einheitlich konzipierten Zyklus, wobei Dixit (Psalm 110) und Magnificat musikalisch und theologisch einander zugeordnet wie Verheißung und Erfüllung den Rahmen bilden.
Mozart hat den biblischen Psalmtext sehr ernst genommen und musikalisch meisterhaft ausgedeutet. Die Vesperae solennes de Confessore KV 339 folgt in ihrem Aufbau mit den Psalmen einer strengen liturgischen Ordnung.

  1. Dixit Dominus domino meo (Ps 109)
  2. Confitebor tibi, Domine (Ps 110)
  3. Beatus vir qui timet Dominum (Ps 111)
  4. Laudate pueri Dominum (Ps 112)
  5. Laudate Dominum omnes gentes (Ps 116)
  6. Magnificat (Lk 1,46-55)

Die einzelnen Psalmen sind in sich selbständig, bilden aber dennoch einen feststehenden Zyklus. Die aufeinander folgenden Psalmen 110 und 111 wirken gegensätzlich. Der Psalm 112 folgt der italienisch-süddeutschen Tradition und ist chorisch im stile antico, also kontrapunktisch gestaltet. Er steht im Gegensatz zu den anderen Sätzen, vor allem zum Psalm 116, der solistisch im stile moderno, also freier gehalten ist.
Im Laudate pueri lobt die Gemeinde in feierlicher Polyphonie Gottes Majestät und stellt in seiner strengen Kontrapunktik wohl Mozarts großartigste Vokalfuge dar. Ihr lapidares Thema, dessen „Stammbaum“ über Bach (Thema des Musikalischen Opfers!) und Händel (And with his stripes aus dem Messiah) hinaus weit zurückverfolgt werden kann, entspricht einem barocken Thementyp, den Mozart noch mehrfach, z.B. in Adagio und Fuge für Streichquartett KV 546 und dann in der Kyrie-Fuge seines Requiems KV 626 zitiert hat. Ein in der Oktavskala absteigendes Gegenthema deutet mit dem Psalmtext auf den Gott, der in der Höhe thront und das Tiefe erschaut, der in Christus zur Erde herabkam und Mensch wurde.
Das Laudate Dominum ist wohl neben dem Ave verum die bekannteste Kirchenkomposition Mozarts. Der Solo Sopran singt, zum Schluss begleitet vom Chor, eine wunderbare Kantilene im 6/8 Takt über den Lobpreis Gottes und die hl. Dreifaltigkeit durch alle Völker.
Das Magnificat verweist jeweils in Tonart und Gestalt auf die ersten Sätze zurück und ist in ausgeführter Sonatenform komponiert. Auf eine langsame Einleitung, die Gottes erhabene Majestät verkündigt, folgt in den ersten 28 Allegro-Takten die Exposition mit Haupt-, Seiten- und Schlussthema einer Symphonie. Das Hauptthema wird Mozart später in seinem Todesjahr in seiner letzten symphonischen Komposition, der Ouvertüre zur Oper La Clemenza di Tito wörtlich zitieren. Das Jauchzen über Gott im Geist, von dem der Text redet, wird in dieser Musik kongenial zum Ausdruck gebracht.
Nach einer modulierenden Durchführung werden die Themen in der Reprise beginnend mit dem Text Suscepit Israel („Er nimmt sich seines Knechtes Israel an“) komplett wiederholt. Auch hier liegt die Deutung auf der Hand: Der Gott, der sich in seinem Erbarmen seines Volkes Israel annimmt, ist kein anderer als der, den Maria im Geist erhoben hat. Die lange Coda des Satzes ist besonders breit und ausführlich ausgeführt und deutet so den Text, der von der Ewigkeit redet: et nunc et semper et in saecula saeculorum.